Törnbericht: Procida erleben

Wer: Hanss-Jürgen Nick mit Sohn und Freunden
Crewgröße: 4 Personen
Wann: 1 Wochen vom 11.10. bis 18.10.25 
  Route: Procida – Ventotene – Palmarola – Ponza – Ventotene – Procida
Level: Inselhopping (mittelschwer)
Segelstil: Sightseeing und Segeln
Wetter: Überwiegend sonnig mit einem Sturmtag, bei mittleren und teils starken Winden 

Vorwort

Dieses Jahr wollte ich mit meinem ältesten Sohn einen besonderen Törn erleben. Er, der junge Abenteurer und Atlantiküberquerer und ich, der spätberufene Skipper hatten es bis dato noch nicht geschafft, gemeinsam auf Törn zu gehen. Als er mir dann signalisierte, dass er Mitte Oktober Zeit hätte, ergriff ich die Chance auf ein Vater-Sohn-Abenteuer und organisierte einen Törn zum Pontinischen Archipel. Dieses Revier hatte ich schon länger auf meiner Wunschliste, ursprünglich inspiriert durch eine Reisereportage des WDR, in der die kaum bekannten Pontinischen Inseln vorgestellt wurden: ursprünglich, rau und fernab des Massentourismus. Mein Sohn und ich kamen schnell überein, dass jeder noch einen Freund einladen würde, um zu einer vernünftigen Crewgröße von vier Personen zu kommen, die auch ein komfortableres Schiff rechtfertigte.

Für das große Privileg, außerhalb der Hauptsaison chartern zu können, nahmen wir gerne in Kauf, dass es Mitte Oktober durchaus wechselhafte Wetterbedingungen geben könnte und auch große Teile der Gastronomie – sofern überhaupt vorhanden – bereits im Winterschlaf schlummern würden.

Es war also klar, dass es ein naturnaher Törn werden würde: Segeln um die teils unbewohnten Inseln des Archipels, Ankern in einsamen Buchten, Schnorcheln, Schwimmen, Erkunden von umliegenden Grotten mit dem Dinghy und abendliches Kochen an Bord.

Um diese Anforderungen gut umzusetzen, fiel die Wahl auf eine Sun Odyssey 410 mit Lattengroß, die einfaches Handling und gutmütige Segeleigenschaften mit großem Komfort verbindet.

Für die Törnvorbereitung bestellte ich das „Kartografische Hafenhandbuch Tyrrhenisches Meer – von Monte Argentario bis Reggio Calabria“. Mit 45 € plus 15 € Versand ist es zwar kein Schnäppchen, aber äußerst nützlich, zumal der westliche Teil des Archipels bei entsprechenden Windlagen wenig Schutzmöglichkeiten bietet und deshalb eine sorgfältige Planung erfordert. Die Lieferung des Revierführers direkt aus Italien erklärt sowohl die hohen Versandkosten als auch die Lieferzeit von ca. zwei Wochen.

Bei der Törnplanung legte ich großen Wert auf Flexibilität, um auf entsprechende Wetterbedingungen reagieren zu können, was sich im weiteren Verlauf als sehr hilfreich herausstellte.

11. Oktober – Ankommen auf Procida und erster Inselmoment

Ausgangspunkt für unseren Törn war die Marina di Procida auf Procida, einer kleinen Insel zwischen dem Festland bei Neapel und Ischia. Die Anreise dorthin ist denkbar einfach und verlief in unserem Fall per Flugzeug von München nach Neapel (Flugzeit ca. 1h 45min), dann mit dem Flughafenbus „Alibus“ in ca. 30 min zum Fährhafen „Beverello“ und von dort mit der Fähre nach Procida. Die Überfahrt mit der Schnellfähre (aliscafo) dauert ca. 30 min, mit der normalen Fähre (traghetto) ca. 60 min. Nachdem wir sehr früh dran waren und keine Eile hatten, wählten wir die günstigere „normale“ Fähre, um nach Procida zu kommen. Die ganze Anreise verlief unkompliziert und absolut stressfrei, nicht zuletzt, weil die Details sehr gut in der Chartermappe von 1a Yachtcharter beschrieben waren.

Strahlender Sonnenschein, azurblauer Himmel, spätsommerliche 23 Grad und ein atemberaubendes Panorama auf Neapel und den Vesuv stimmten uns beim Ablegen mit der Fähre auf eine tolle Segelwoche ein. Nach ca. einer Stunde Überfahrt legte die Fähre mit einem souveränen Anlegemanöver im Fährhafen von Procida an. Die ca. 500 m vom Fähranleger bis zum Büro von Sail Italia in der Via Roma 10 bewältigten wir ohne Eile zu Fuß, und so kamen wir gegen 11:00 Uhr vormittags in der Charterbasis an, wo schon geschäftiges Treiben herrschte.

Procida, Fährhafen von Procida (vorne rechts) und Marina di Procida (hinten links)

Nach einem herzlichen Empfang konnten wir sofort die Check-in Formalitäten erledigen, was ganz entspannt verlief, da alle Unterlagen vorbereitet waren. Insgesamt machte nicht nur das Team von Sail Italia einen sehr professionellen Eindruck, auch die ganzen Abläufe rund um das Check-in und die Unterlagen waren gut organisiert. Laut Chartervertrag stand das Boot ab 18:00 Uhr zu Verfügung, jedoch wurde uns auf Nachfrage eine frühere Übernahme gegen 16:30 Uhr in Aussicht gestellt. Nachdem aber Mitte Oktober auf diesen Breiten die Sonne bereits um 18:30 Uhr untergeht, war klar, dass wir den ersten Abend noch in der Marina verbringen würden und deshalb keine große Eile mit der Übernahme hätten.

Der Stützpunktleiter von Sail Italia bot für die Skipper der Crews um 15:00 Uhr ein Revierbriefing an, an dem ich teilnehmen wollte. Insofern hatten wir ein wenig Zeit, das Hafenstädtchen zu erkunden, Mittagessen zu gehen und Proviant zu organisieren. Unser Gepäck konnten wir bei Sail Italia lassen, allerdings vor der Tür des Büros auf einer Holzterrasse. Wir waren kurz skeptisch, ob das eine gute Idee sei, nahmen das Angebot aber mangels Alternativen dann doch war. Nachdem wir sahen, dass es uns eine andere Crew gleichtat, waren wir etwas beruhigter.

In Procida gibt es eine große Auswahl von Restaurants unterschiedlichen Anspruchs, wobei wir den Eindruck hatten, dass die Lokale entlang des Fährhafens bodenständiger und weniger touristisch sind als jene auf der Südseite entlang der Marina Corricella. Konkret wurde uns das „La Medusa“ empfohlen; tatsächlich ausprobiert und für gut befunden haben wir das „CN45“ an der Via Roma ganz in der Nähe des Fähranlegers und die Pizzeria „La Piazetta“ in der Oberstadt (Spezialität: Pizza mit Sardellen und frische Zitronen).

Proviant bekommt man direkt in der Marina neben dem Büro von Sail Italia bei „ottimo supermercati“ in der Via Roma 7 und in weiteren kleinen Geschäften entlang des Hafens. Nachdem wir einen größeren Einkauf planten, entschieden wir uns für „SISA“ in der Via Libertà 72 und baten den Besitzer, uns die Einkäufe in die Marina zu bringen, was er mit großer Selbstverständlichkeit für nachmittags um 16:30 Uhr zusagte.

Überhaupt scheint 16:30 Uhr die entscheidende Uhrzeit in Procida zu sein, erwacht doch der ganze Ort schlagartig aus der nachsaisonalen Mittagsträgheit zu pulsierendem süditalienischem Leben. So auch die Marina: auf einmal war Schiffsübernahme und Bootseinweisung angesagt, und zeitgleich kam auch die Lieferung aus dem Supermarkt an. Die Bootseinweisung konnte ich abkürzen, da ich nur drei Wochen zuvor mit dem exakt gleichen Schiffstyp unterwegs war und deswegen das Schiff kannte. Insgesamt war die Schiffsübernahme gut vorbereitet und flankiert durch eine detaillierte Checkliste von Sail Italia, die man in Ruhe durchgehen und abhaken konnte. Der sehr gepflegte Zustand des Schiffes und vor allem das hochwertige Dinghy mit leistungsfähigem Außenborder gefielen uns besonders.

Die Sicherheitsausrüstung entsprach dem italienischen Standard, was insbesondere bedeutet, dass sich aufgrund des küstennahen Charterbetriebs keine Rettungsinsel an Bord befindet und als Schwimmwesten nur einfache Feststoffwesten mitgeführt werden. Ein UKW-Funkgerät ist vorhanden aber mangels Registrierung (keine MMSI) nicht DSC-fähig.

Nachdem ja klar war, dass wir am Samstag nicht mehr auslaufen würden, nutzen wir die Zeit, um uns gemütlich auf dem Schiff einzurichten, eine detaillierte Sicherheitseinweisung durchzuführen und dann anschließend entspannt in der Nähe des Fährhafens ins „CN45“ zum Essen zu gehen, wo wir den Tag gemütlich bei Wein und lokalen Spezialitäten ausklingen ließen.

12. Oktober – Von Procida nach Ventotene: Ein gelungener Start in die Inselwelt

Bei bedeckten 22°Celsius und 2 bft. verließen wir gegen 09:00 Uhr die Marina in östlicher Richtung, um unter Motor die Insel südlich zu umfahren und dabei den atemberaubenden Blick auf Corricella zu genießen.

Procida, Corricella: Blick auf die Marina di Corricella

Im weiteren Verlauf passierten wir Ischia auf der südlichen Seite, wobei auffiel, wie dicht diese Insel besiedelt und wohl durch den Tourismus geprägt ist. An der Punta San Angelo änderten wir unseren Kurs auf 288° COG und fuhren die verbleibenden 22 sm nach Ventotene bei spiegelglatter See unter Motor, nur jeweils kurz unterbrochen durch Segelversuche bei vermeintlich aufkommenden leichten Brisen.

Ventotene mit der kleinen vorgelagerten Gefängnisinsel Santo Stefano bildet den östlichen Teil des Pontinischen Archipels und liegt ungefähr auf halbem Weg zum westlichen Teil des Archipels, der aus den Inseln Ponza, Palmarola und Zannone besteht. Nur Ventotene und die deutlich größere Insel Ponza sind bewohnt und bieten eine gewisse Infrastruktur; die anderen Inseln sind unbewohnt, schroff, mit weitgehend unberührter Natur.

Ventotene und insbesondere Santo Stefano dienten schon zu Zeiten der römischen Kaiser als Verbannungsorte für unliebsame Angehörige der kaiserlichen Familie. 1795 ließ Ferdinand IV., König von Neapel, ein hufeisenförmiges Gefängnis auf Santo Stefano erbauen, das bis heute monströs auf dem Felsen thront. Mussolinis Faschisten nutzten Santo Stefano als Verbannungsort für Kommunisten, Sozialisten, antifaschistische Intellektuelle und andere politische Gegner und so kam es, dass im August 1941 einige Internierte das Manifest von Ventotene verfassten, in dem die Grundideen eines vereinigten Europas beschrieben sind. Die Nutzung des Gefängnisses endete 1965. Nach Jahrzehnten des Verfalls soll bis 2028 das Gebäude renoviert und in ein historisches Museum samt Forschungs- und Bildungsstätte umgewidmet werden.

Isola di Santo Stefano, von Ventotene aus gesehen

Nachdem die Windvorhersage für die Nacht eine vor Nordostwinden geschützte Bucht auf der Westseite von Ventotene nahelegte, wählten wir mit Hilfe des Revierführers und Navily die Cala Parata Grande an der nordwestlichen Spitze von Ventotene als geeignete Ankerbucht für die erste Nacht des Törns.

Um das Sperrgebiet südlich der Insel Santo Stefano zu meiden, wählten wir die nördliche Umfahrung von Ventotene, um dann aus nordwestlicher Richtung in die Cala Parata Grande zu gelangen. Aufgrund zahlreicher Felsen, die teilweise nur knapp unter der Wasseroberfläche liegen, ist es nicht ratsam, die Nordspitze Punta d’Eolo knapp zu umrunden und auf direktem Weg über die Cala Rossano in die Cala Parata Grande einzufahren.  

Gegen 16:00 Uhr erreichten wir unsere Ankerbucht und wählten den Ankerplatz sehr sorgfältig aus.

Ventotene, Cala Parata Grande: Der erste Ankerkreis

Wie in Navily beschrieben, konnten wir bei ca. 6 m Wassertiefe auf sandigem Untergrund ankern und waren so perfekt vor dem prognostizierten nächtlichen Wind aus NNO geschützt. Noch angenehme 22 Grad Wassertemperatur machten es mir leicht, die Lage des Ankers durch Abtauchen zu überprüfen. Der erste Schlag mit knapp 34 sm war geschafft.

Ventotene, Cala Parata Grande: Ankerplatz für die erste Nacht

Nach dem obligaten Ankerschluck machten wir das Dinghy klar und erkundeten noch bei Tageslicht die nähere Umgebung. Dabei entdeckten wir einen steilen Pfad in den Klippen, der wohl über den Inselrücken auf die Ostseite zum alten römischen Hafen Porto Romano führte. Wir beschlossen, am ersten Abend die Annehmlichkeit eines Restaurantbesuchs zu nutzen und das Kochen an Bord auf spätere Tage zu verschieben.

Ventotene, Cala Parata Grande: Erkundungstour mit dem Dinghy

Mit Stirnlampen ausgerüstet machten wir uns bei einbrechender Dunkelheit mit dem Dinghy auf den Weg an Land und stiegen den schmalen steilen Pfad nach oben auf die Klippen. Nach ca. einer halben Stunde Wanderung erreichten wir den alten römischen Hafen auf der Ostseite der Insel. Pittoresk und beeindruckend zugleich, was die Römer vor über zweitausend Jahren aus dem Tuffgestein meißelten.

Ventotene, Cala Parata Grande: Landgang

Das gastronomische Angebot im alten Hafen von Ventotene war an diesem Abend sehr überschaubar, und so verschlug es uns ins „Un Mare di Sapori“ in der Porto Romano 3 weiter hinten im römischen Hafen, was ein kulinarischer Volltreffer war. Definitiv eine Empfehlung!

Ventotene, Porto Romano: Restaurant „Un Mare di Sapori”

Auf dem Rückweg hoch zu den Klippen blieben wir oben im Dorf noch im „Mensa Art Cafè“ hängen, offensichtlich die Kneipe für den jüngeren Teil der ca. 700 Einwohner von Ventotene, wo wir direkt von der Wirtin adoptiert und in die bunte Gesellschaft integriert wurden.

Die Rückkehr zu unserem Schiff mit dem Schlauchboot war einfach, bestand doch trotz Dunkelheit keine Verwechslungsgefahr: wir waren weit und breit das einzige Schiff in der Bucht. Die erste Nacht vor Anker verlief dann sehr ruhig, wie erwartet gut geschützt vor den nordöstlichen Winden und ohne Schwell; ein perfekter Einstieg in die Inselwelt des Pontinischen Archipels.

Ventotene, Cala Parata Grande: Einsam vor Anker

13. Oktober – Von Ventotene nach Palmarola: Ein stiller Tag auf offener See

Nachdem die Wettervorhersage für Mitte der Woche einen Frontendurchgang vorhersagte, entschieden wir uns, von Ventotene aus direkt an das westliche Ende des Archipels nach Palmarola zu fahren, um uns dann im Verlauf der Woche wieder in östliche Richtung zurückzuarbeiten. Palmarola gilt als schönste und ursprünglichste der fünf Pontinischen Inseln, ist Naturschutzgebiet und unbewohnt. Nur in der Sommersaison wird ein kleines einfaches Restaurant in der Cala del Porto betrieben.

Wir steuerten also 282° COG, um Ponza an der Südspitze passieren zu können. Achtung, dieser Kurs führt einen mit ca. einer halben Seemeile nördlichem Abstand an der Scoglio della Botte vorbei, einem unverhofft aus dem Wasser ragenden Felsen bei φ: 40° 50,39’ N  /  λ: 013° 06,16’ E!

An der Südspitze von Ponza nutzten wir den aufkommenden Südwestwind, um die verbleibenden 6 sm nach Palmarola unter Segel zurückzulegen. Vor den Felsen Faraglioni di Mezzogiorno bargen wir die Segel und drehten unter Motor eine Schleife, um den imposanten Durchblick durch die Felsen genießen zu können.

Palmarola, Faraglioni die Mezzogiorno (links) und Punta di Mezzogiorno (rechts)

Wir überlegten kurz, ob eine Fahrt durch die Passage zwischen der Punta die Mezzogiorno und den Faraglioni di Mezzogiorno möglich wäre, entscheiden uns dann aber wegen zahlreicher Felsbrocken, die nur knapp unter der Wasseroberfläche lauern, für die großzügige westliche Umfahrung. Großzügig deswegen, weil auch noch südwestlich der sichtbaren Felsen der Faraglioni di Mezzogiorno weitere Felsbrocken des Scoglio Cappello die Passage gefährden. Für den etwas weiteren Bogen wurden wir durch einen einzigartigen Ausblick auf dramatisch aufgefaltete Felsmassen belohnt, die im spätnachmittäglichen Sonnenlicht in unterschiedlichen Farben von kreideweiß über schwefelgelb bis basaltfarben leuchteten.

Palmarola, Westküste

Das letzte Stück bis zur Cala del Porto, der angeblich schönsten Bucht des ganzen Archipels, fuhren wir unter Motor, so dass wir gegen 16:00 Uhr dort ankamen und auf überwiegend sandigem Untergrund bei ca. 5m Wassertiefe ankern konnten. Das kristallklare und noch angenehm warme Wasser lud uns ein, nicht nur die Lage des Ankers zu kontrollieren, sondern auch in der Bucht zu schnorcheln.

Bitte beachten, dass seit August 2024 für Ponza und Palmarola während der Saison (1. Juni – 30. September) Ankergebühren erhoben werden und für die Landung auf Zannone gar eine vorherige Genehmigung durch die Gemeinde Ponza notwendig ist.

Nachdem wir ja außerhalb der Saison unterwegs waren, kümmerte uns diese neue Regelung nicht. Dennoch hatten wir ein leicht mulmiges Gefühl, als plötzlich aus der gleissenden Abendsonne ein respekteinflößendes schwarzes Schlauchboot der Carabinieri auftauchte und direkt auf uns zuhielt. Ich bat meine Crew, sich ordentlich anzuziehen, da mir klar war, dass dies eine offizielle Kontrolle werden würde, und es immer eine gute Idee ist, den Carabinieri mit Respekt zu begegnen. Und tatsächlich kamen sie längsseits, begrüßten uns höflich und verlangten unsere Ausweise, die wir in einer dry bag übergaben. Nach ein paar Minuten kamen sie wieder längsseits, gaben uns unsere Dokumente zurück, fragten, ob noch weitere Personen an Bord wären und beglückwünschten uns dann zu der Tatsache, dass wir die schönste Bucht des Archipels komplett für uns alleine hätten – offensichtlich ein großes Privileg und während der Saison undenkbar.

Mit dem Segen der Carabinieri hatten wir nun die Bucht definitiv für uns alleine und genossen einen phänomenalen Sonnenuntergang mit all seinen Schattierungen, bevor wir an Bord Abendessen zubereiteten. Bei noch angenehmen Temperaturen saßen wir bis spät abends an Deck und genossen die absolute Stille und Dunkelheit, die einen beeindruckenden Sternenhimmel hervortreten ließ, wie man ihn in unseren Breiten nicht erleben kann.

Palmarola, Cala del Porto: Angeblich die schönste Bucht des gesamten Archipels

14. Oktober – Von Palmarola nach Ponza: Zwischen Felsgrotten, Schwell und sicheren Ankerplätzen

Der Morgen in der Cala del Porto begann so friedlich, wie der Abend zuvor geendet hatte. Die Felsen von Palmarola leuchteten im ersten Licht, das Wasser war kristallklar und ruhig, und wir frühstückten an Deck, während die Sonne hinter den Felswänden emporstieg. Dieser Platz hatte etwas Magisches, und es fiel uns nicht leicht, den Anker zu lichten und nach Ponza zu fahren.

Wir verließen die Cala del Porto in nordwestlicher Richtung, passierten die Nordspitze von Palmarola und fuhren dann ein Stück die Ostseite der Insel entlang, um die gewaltigen Tuffsteinwände und bizarren Felsformationen bestaunen zu können.

Palmarola, La Forcina an der Ostküste

Nachdem für die Nacht Winde aus ONO mit ca. 15 kn vorhergesagt waren, wollten wir sicher an einer Boje oder in einer Marina liegen, weshalb wir den Porto di Ponza ansteuerten – den einzigen Hafen weit und breit. Bei dieser Gelegenheit wollten wir auch gleich Wasser nachtanken – zumindest war das der Plan. Die Annäherung an Porto di Ponza aus südlicher Richtung erfordert aufmerksames Navigieren, da am Beginn der natürlichen Bucht einige Felsen aus dem Wasser ragen und durchaus auch reger Bootsverkehr herrscht.

Ponza, Faraglioni della Madonna: Aus Süden kommend kurz vor der Hafeneinfahrt

Beim Einlaufen in den Hafen stellten wir schnell fest, dass die Tankstelle aufgrund unzureichender Wassertiefe für uns nicht erreichbar war und es auch sonst keine Möglichkeit gab anzulegen, da die Schwimmsteganlage im südlichen Bereich des Hafens schon abgebaut war.

Ponza, Porto di Ponza: Unerreichbare Tankstelle rechts der Fähre und noch weiter rechts die abgebaute
Schwimmsteganlage

Wir entschlossen uns deshalb, weiter nördlich in der Hafenbucht vor Anker zu gehen und Porto di Ponza per Dinghy zu erkunden. Nach den üblichen Versorgungs- und Entsorgungsfahrten fuhren wir ein weiteres Mal los, um den Hafen auch kulinarisch zu erkunden und gut Mittagessen zu gehen. Entlang des Hafens finden sich unzählige Restaurants, die auf Fisch und Meeresfrüchte spezialisiert sind. Wir fanden im „Lo Scirocco“ einen zugigen Platz auf der Terrasse und aßen hervorragend zubereitete süditalienische Spezialitäten.

Ponza, Porto di Ponza: Unser Ankerplatz vor der Spiaggia di Santa Maria bei ordentlich Schwell

Zurück auf dem Schiff wurde uns klar, dass wir aufgrund des schon starken und wohl noch weiter zunehmenden Schwells für die Nacht nicht gut lägen und so beschlossen wir kurzerhand, wieder abzulegen, um auf der Nordwestseite der Insel eine geschützte Ankerbucht zu finden. Nachdem es nur noch 1 ½ Stunden bis Sonnenuntergang war, beeilten wir uns, um in die Cala Feola zu kommen. Nach sorgfältiger Prüfung erschien die Passage zwischen Ponza an der Punta dell‘Incenso und Isola die Gavi als machbar, und so entschieden wir uns, ganz vorsichtig unter gehörigem Ausguck hindurchzufahren. Letztendlich hatten wir Glück und wir kamen gut durch. Im Nachhinein betrachtet war die Durchfahrt aber riskant, da nicht alle Felsen exakt da liegen, wo sie laut Kartenplotter liegen sollten und wir einem Felsbrocken gefährlich nahekamen. Beim nächsten Mal werde ich auf jeden Fall den Umweg um die Isola di Gavi wählen und diese Abkürzung meiden.

Wir erreichten die Cala Feola bei einsetzender Dämmerung und benötigten zwei Versuche, bis der Anker bei ca. 10 m Wassertiefe ausreichend Halt bot. Ein großer alter französischer Schoner ankerte bereits etwas weiter draußen in der Bucht und gab das perfekte Motiv für ein stimmungsvolles Bild. Offensichtlich waren viele junge Menschen an Bord, die es sichtlich genossen, mit einer langen, am Fockmast befestigten Schaukel weit hinaus auf das Wasser zu pendeln, um sich dann in hohem Bogen ins Wasser fallen zu lassen.

Ponza, Cala Feola: Ein französischer Schoner vor Anker

Wir verzichteten auf das Abtauchen des Ankers, weil es ohnehin schon fast dunkel war und kochten an Bord; ein Crewmitglied wollte noch eine abendliche Laufrunde absolvieren und wurde deshalb mit dem Dinghy an Land gebracht und später wieder abgeholt. Nachdem klar war, dass der nächste Tag anstrengend werden würde, gingen wir früh zu Bett. Wie erhofft, schützte uns die tief eingeschnittene Bucht mit ihren steil nach Südosten aufragenden Klippen perfekt vor Wind und Schwell, und so lagen wir absolut ruhig vor Anker.

Ponza, Cala Feola: Perfekt geschützt vor Wind und Schwell

15. Oktober – Schweres Wetter auf dem Weg zurück nach Ventotene

Am Morgen in der Cala Feola wirkte noch alles ruhig. Die Bucht lag geschützt, das Wasser war klar und kaum bewegt. Beim Blick auf die Wettervorhersage zeigte sich jedoch, dass sich die Lage ändern würde. Für den Abend und die Nacht waren rund 35 Knoten Ostwind angekündigt, dazu eine Kaltfront, die über das Tyrrhenische Meer ziehen sollte. Uns war klar, dass wir für die kommende Nacht einen sicheren Hafen benötigen würden. Die Wahl fiel auf den Porto Nuovo von Ventotene, den neueren Hafen nördlich von Porto Romano.

Kaltfront, und wir mitten drin

Zunächst segelten wir nach Norden aus der Bucht heraus und hielten Kurs Richtung Ventotene. Nach etwa vier Meilen stellte sich endlich einmal guter Wind ein. Doch die Freude hielt nicht lange. Aus dem angenehmen Halbwind wurde innerhalb kurzer Zeit eine ruppige See mit kräftigen Böen. Zwei unserer Crewmitglieder wurden auf offener Strecke seekrank. Am Ende standen nur noch zwei Segler an Deck.

Die See wurde immer unruhiger. Wir kämpften uns gegen den Ostwind voran und versuchten, möglichst wenig Höhe zu verlieren. Nach rund drei Stunden dieser Tortur war klar, dass wir ohne Motor nicht rechtzeitig ankommen würden. Wir refften und starteten die Maschine und arbeiteten uns langsam nach Ventotene vor.

Die letzten Meilen wurden besonders anspruchsvoll. Salz legte sich wie ein Schleier auf die Brille und die Sicht war zeitweise eingeschränkt. Der Hafen von Ventotene liegt relativ offen zu den Ostwinden und wir mussten genau darauf achten, wie wir an die Mole heranfahren würden. Zusätzlich erschwerte ein weiteres Detail die Situation: Im Hafenbecken lag eine große Fähre, deren Stahlseile quer übers Wasser verliefen, um an einer Boje festzumachen. Es gibt kein Signal, keine Markierung und bei schlechter Sicht ist das Seil kaum zu erkennen. In den Revierführern wird davor gewarnt und wir konnten schließlich noch ausweichen.

Der Marinero im Hafen erkannte, dass wir nur eingeschränkt manövrierfähig waren und half uns sofort. Er dirigierte uns zu einem Schwimmsteg und reichte uns die Moorings bereits dort an, wo wir durch die Böen hingetrieben wurden, nicht an der Stelle, wo er uns ursprünglich haben wollte. Eine Geste, die uns in dieser Situation sehr entlastet hat.

Am Ende lagen wir mit vier Mooringleinen an der Bugseite und vier Heckleinen am Steg. Die Nacht kündigte sich stürmisch an und der Marinero sagte nur trocken, dass es gut sei, hier festzumachen, denn am kommenden Tag würde niemand auslaufen.

Ventotene, Cala Nave: Zwangspause

Sein Hinweis erwies sich als goldrichtig. Am Abend frischte der Wind weiter auf, und in der Nacht hatten wir durchgehend starken Ostwind mit deutlichem Schwell im Hafenbecken. Der Schwimmsteg arbeitete ungewöhnlich stark und wir mussten beim Gang auf den Steg aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schlaf fanden wir kaum, doch das Boot blieb sicher vertaut.

Nach dieser anstrengenden Überfahrt waren wir froh, in Ventotene zu sein. Der Hafen bot zwar keine luxuriösen Anlagen, aber einen entscheidenden Vorteil: Sicherheit bei schlechtem Wetter. 

16. Oktober – Ein Hafentag auf Ventotene: Warten, Beobachten und Inselgeschichten

Die Nacht auf dem Schiff war unruhig, laut und wenig erholsam. Schon beim ersten Blick aus der Kabine am Morgen war klar, dass der Marinero Recht behalten würde: an ein Auslaufen war nicht zu denken. Der Wind pfiff mit ca. 30 kn über die Mole, und die Wellen standen selbst innerhalb des Hafenbeckens so hoch, dass man kaum über den Schwimmsteg gehen konnte. Selbst der Erpel, der vor unserem Schiff Wache hielt, hatte Mühe, sich auf dem Steg zu halten.

Ventotene, Porto Nuovo: Warten auf besseres Wetter

Nachdem es an Bord eher ungemütlich war, beschlossen wir, ein erstes kleines Frühstück in einer Bar im römischen Hafen einzunehmen und dann die Insel zu erkunden. Die Gassen waren menschenleer, viele Geschäfte und Restaurants hatten bereits geschlossen. Das lag sicher nicht nur am schlechten Wetter, sondern auch daran, dass sich das Leben außerhalb der Saison auf ein Minimum reduziert. Die wenigen Straßen im Dorf waren schnell abgegangen, und so erkundeten wir die Insel weiter südwärts, wo aus den Straßen allmählich Feldwege und Pfade wurden, die zu kleinen Parzellen führten, auf denen liebevoll Gemüse und vor allem Linsen angebaut werden. Linsensuppe ist deshalb auch ein typisches Gericht, das man häufig auf den Speisekarten der Restaurants von Ventotene finden kann. Den restlichen Tag und auch den Abend verbrachten wir an Bord, wo wir es uns so gut es ging gemütlich machten. Die Wettervorhersage für den nächsten Tag versprach gutes Wetter und vor allem idealen Wind, um die gut 30 sm zurück nach Procida unter Segel zurücklegen zu können.

17. Oktober – Zurück nach Procida: Endlich wieder segeln

Die Wettervorhersage stimmte: strahlender Sonnenschein, ca. 15 kn Wind aus Südosten und ruhige See versprachen einen tollen Segeltag zum Abschluss. Wir bezahlten 180 Euro Liegegebühr für zwei Nächte inkl. Wasser und Strom und legten kurz nach 09:00 Uhr ab. Nach nur 10 min Motorfahrt setzten wir die Segel und segelten bei idealem Halbwind auf einem Bug bis kurz vor Procida.

An der Nordspitze von Procida herrschte reger Schiffsverkehr. Insbesondere die Schnellfähren mit ihrer enormen Motorleistung ließen nicht erkennen, ob sie unser Wegerecht akzeptieren würden und passierten uns nahebei. Entgegen der KVR aber gemäß dem Motto „groß vor klein“ und „Stahl vor Plastik“ beharrten wir nicht auf unser Wegerecht, sondern bargen die Segel, um die verbleibenden zwei Seemeilen unter Motor zurückzulegen. Die Einfahrt des Fährhafens von Procida überquerten wir im vorgeschriebenen Mindestabstand von 500 m von der Torfeuerlinie, um dann in die schmale Einfahrt der Marina Procida einzubiegen. Direkt am Eingang der Marina liegt am südlichen Molenkopf die Tankstelle, an der wir Diesel nachtankten und uns per Funk bei der Basis von Sail Italia anmeldeten, so wie das im Briefing erbeten wurde. Wir bekamen denselben Liegeplatz zugewiesen, von dem wir eine Woche zuvor ablegt hatten und wurden durch einen Mitarbeiter von Sail Italia per Schlauchboot durch die engen Gassen der Marina dorthin geleitet. Das Anlegemanöver verlief problemlos, gut unterstützt durch zwei Mitarbeiter von Sail Italia. Sail Italia legt großen Wert darauf, beim An- und Ablegen in der Marina durch eigene Mitarbeiter zu unterstützen. Gegen 16:00 Uhr, also eine Stunde vor der vertraglich vereinbarten Rückgabezeit lagen wir wieder sicher festgemacht an unserem Platz und konnten das Schiff für die Rückgabe vorbereiten. Die Rückgabe selbst war sehr entspannt und beschränkte sich auf eine kurze Sichtkontrolle der Genua und einen kurzen Kontrollgang durch das Schiffsinnere durch den Stützpunktleiter. Er lobte uns für den sauberen und aufgeräumten Zustand des Schiffes und zeichnete das Rückgabeprotokoll frei, mit dem ich dann im Büro von Sail Italia die Freigabe der auf meiner Kreditkarte reservierten Kaution veranlassen konnte.

Mit dem letzten Licht des Tages gingen wir noch einmal an Land, genossen ein Abendessen in einem kleinen Lokal in der Marina Corricella und ließen die ereignisreiche Woche Revue passieren. Am folgenden Morgen würden wir nur noch die Betten abziehen, das Schiff verlassen und zur Fähre gehen.

Procida, Marina di Procida: Wieder zurück in der Marina

18. Oktober – Abreise und zurück nach München
Der letzte Morgen auf Procida begann schon früh und sehr rührend: die Crew hatte es sich nicht nehmen lassen, dem Skipper ein Geburtstagsständchen vorzutragen, gefolgt von Glückwünschen, Glückwunschkarte und Präsent.

Geburtstagskind an Bord

Im Anschluss an die Huldigungen packten wir schließlich unsere restlichen Sachen zusammen, zogen die Betten ab, entsorgten die letzten Mülltüten und verließen das Boot besenrein kurz vor 09:00 Uhr, genau so, wie es vertraglich vorgesehen war. Bis zum Ablegen der Fähre um 09:20 Uhr war noch genügend Zeit für einen kurzen Espresso in der Nähe des Fährterminals.

Dieses Mal wählten wir die Schnellfähre zurück nach Neapel – mit knapp 14.000 PS, 37 kn Höchstgeschwindigkeit und einem Lärmpegel in der Kabine, der an einen Raketenstart erinnerte – war diese Überfahrt das absolute Kontrastprogramm zu unserer naturnahen Segelwoche. Am „Molo Beverello“ angekommen, ging es wieder mit dem „Alibus“ zurück zum Flughafen Neapel und von dort per Direktflug nach München.

Die Rückreise zeigte noch einmal, wie einfach Procida zu erreichen ist: der Transfer von Procida zum Flughafen Neapel dauerte ca. 1 ¼ Stunden, die gesamte Reisezeit von Procida bis München inkl. aller Warte- und Transferzeiten betrug nur knapp sechs Stunden.

Fazit

Der Törn von Procida zu den Pontinischen Inseln bot alles, was wir uns von einem Segeltörn wünschten: seglerischen Anspruch, navigatorische und meteorologische Herausforderungen, beeindruckende Naturerlebnisse und nicht zuletzt auch Kultur und Kulinarik. Es war richtig, die Törnplanung flexibel und mit ausreichenden zeitlichen Reserven zu gestalten. Nur so konnten wir auf die Wetterbedingungen reagieren und einen Schlechtwettertag im Hafen von Ventotene abwettern, ohne unter Zeitdruck zu geraten. Der gewählte Zeitraum 11.-18. Oktober fiel schon deutlich in die Nachsaison bei überwiegend noch gutem Wetter und angenehmen Wassertemperaturen. Wir hatten das ganze Revier mehr oder weniger für uns alleine und konnten die Ruhe und Abgeschiedenheit der Inseln in vollen Zügen genießen, was während der Hauptsaison wohl so nicht möglich ist. Sehr viel später als Mitte Oktober würde ich den Archipel allerdings nicht besuchen, weil dann das Wetter wechselhafter wird, das Inselleben auf Ventotene und Ponza in eine Art Winterschlaf fällt und auch die maritime Infrastruktur nur noch sehr reduziert zur Verfügung steht.

Die Planungen für den Törnkalender 2026 laufen bereits auf Hochtouren, und dabei ist jetzt schon klar, dass mich zwei Törns wieder auf den Archipel führen werden.

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